Leserstimme: Prügelknaben der Nation?

Sind Tierheime eigentlich die Prügelknaben der Nation? Wann immer über ein Tierheim negativ in den Medien berichtet wird, egal aus welchem Grund – fast immer wird das in den sozialen Medien geteilt und fast immer explodieren die Kommentarspalten vor lauter negativen Stimmen.

von Gabriele Tischler,
Inhaberin von „Die Pfotenbar“ in Düsseldorf

Liest man sich die üblichen Kommentare durch, wiederholen sich immer die gleichen Beschwerden: Das Tierheim ist nicht dankbar genug über Spenden, die Tierheimmitarbeiter sind unfreundlich, die Organisation ist chaotisch, man hat kein Tier bekommen, weil, man musste sogar zahlen, wenn man ein Tier abgegeben hat….

Gerade jetzt aktuell – ein Mensch ist gestorben, sein Hund hat damit ein Zuhause verloren. Er wurde im Tierheim Düsseldorf aufgenommen. Nachbarn wollten ihn besuchen und weil sie das nicht durften, hat man sich an die Presse gewendet. Um den Hund ging es da schon gar nicht mehr. Keiner hat sich gefragt, wie es dem Hund dabei wohl geht, wenn er bekannte Gesichter wieder sieht, die ihn dann doch wieder im Tierheim zurück lassen.

Unsere Tierheime sind da. Sie sind die letzte und manchmal einzige Zuflucht für Fundtiere, für Tiere, die nicht mehr gewollt werden, für ausgesetzte Tiere, für Tiere, die aus schlechter Haltung beschlagnahmt werden, für Tiere, die ihr Zuhause aufgrund eines Todesfalls oder schwerer Erkrankung ihrer Besitzer verlieren, für alte oder kranke Tiere, für verhaltensauffällige Tiere, für verwaiste Tiere, die mit der Hand aufgezogen werden, sie sind Quarantänestation für Tiere, die ohne gültige Impfung ins Land geschmuggelt wurden… die Liste ist lang.

Ohne unsere Tierheime geht es nicht. Sie sind Lebensretter, sicherer Hafen, Zufluchtsort. Hier bekommen Tiere ein Dach über den Kopf, etwas zu essen, medizinische Versorgung, sie werden betreut, es wird sich um sie gekümmert. Die Tierheimmitarbeiter leisten einen Mammut-Job. Sie erkennen gesundheitliche Probleme als Erste, sie fahren zum Tierarzt, sie schlagen sich die Nächte um die Ohren, um verwaiste Tierkinder durchzubringen, sie bangen und hoffen, sie heilen traumatisierte Tierseelen, sie trainieren und üben, sie versuchen Tiere möglichst gut kennenzulernen, um ein gutes Zuhause für sie zu finden. Sie putzen, sie füttern, sie gehen Gassi, nehmen sich Zeit für Interessenten und oft genug sind sie diejenigen, die gemeinsam mit einem Tier den letzten schweren Gang gehen.

Nachtdienste, Wochenenddienste, Bereitschaftsdienste gehören zum Job. Ich glaube, es gibt keinen einzigen Tierpfleger in Deutschlands Tierheimen, der nicht schon mal krankenhausreif gebissen oder gekratzt wurde, sich mit Pilz oder anderen Zoonosen infiziert hat. Tierheimmitarbeiter bekommen das ganze Elend hautnah mit. Sie sind diejenigen, die ausgesetzte Tiere in einem erbärmlichen Zustand vorfinden, Sie sind diejenigen, die bei einer Beschlagnahmung aus schlechter Haltung versuchen, die traumatisierten, oft lebensgefährlich kranken, unterernährten oder verwahrlosten Tiere aufzupäppeln. Manchmal sind sie sogar diejenigen, die Tiere aus unvorstellbaren Haltungsbedingungen gemeinsam mit dem Veterinäramt rausholen. Sie halten den Mund, wenn sich mal wieder vor den Ferien die Abgaben wegen „Allergie“ häufen. Sie halten den Mund, wenn ihnen alte, kranke Tiere in die Hand gedrückt werden, weil die Besitzer sich nicht mehr kümmern.

Sie trösten die verängstigten, traumatisierten Tiere, die wegen Tod oder Krankheit der Besitzer von einem Tag auf den anderen ihr Zuhause verlieren. Sie fangen die ganzen Tierseelen auf und versuchen alles, ihnen die Zeit im Tierheim erträglich zu machen. Sie sehen täglich die Abgründe menschlichen Verhaltens, in allen Facetten und das Tierleid, das dadurch verursacht wird.

Zusätzlich sehen sie sich teilweise unglaublichen Ansprüchen ausgesetzt. Sie sollen sich für jegliche Spende überschwänglich bedanken (auch wenn die Spenden teilweise nur noch für den Müll oder Sperrmüll taugen), ablehnen dürfen sie schon gar keine Spende (geöffnetes Futter, abgelaufene Medikamente), sie sollen jeden Menschen freundlich, geduldig und serviceorientiert empfangen, sollen dankbar sein für jeden, der gerne ein Tier adoptieren will…Natürlich sollten sie auch möglich machen, dass jeder, der es möchte, ein bestimmtes Tier besuchen darf, mit einem Hund Gassi gehen darf, man sollte Kindern doch eine Kuschelrunde im Kleintier- oder Katzenhaus ermöglichen…. Wehe, ein Mensch wird in seinen Befindlichkeiten nicht gepudert. Dann wird geschimpft, dass sich die Balken biegen. Ein ganz schlimmes Tierheim ist das, mit ganz unfreundlichen, bösen, ahnungslosen oder sonstigen Mitarbeitern, die sind nur geldgeil und überhaupt…

So, und jetzt die Preisfrage – um WEN geht es im Tierschutz?

Was ist die vorrangige Aufgabe eines Tierheims? WEM ist geholfen mit einem Shitstorm über ein Tierheim? Wenn ich ein Tierheim unterstütze, geht es nicht um mich. Auch nicht um den Mitarbeiter, der vielleicht nicht mehr in der Lage ist, großartig zu lächeln und danke zu sagen, nachdem er 3 Nächte in Folge einen Wurf mutterloser Kitten mit der Flasche alle 2 Stunden gefüttert hat. Auch nicht um die Mitarbeiterin, die mir ziemlich robust antwortet, dass der Hund nix für mich ist – nachdem sie gerade 3 Zwinger mit Parvo-Durchfall gereinigt hat und einen Hund, der voller Tumore, alt und vernachlässigt, abgegeben wurde, auf seiner letzten Reise begleitet hat. Es geht auch nicht um den Büromitarbeiter, der ziemlich kurz angebunden und schroff am Telefon ist, weil er gerade vor einer Stunde einen Karton mit teilweise erfrorenen Reptilien vor dem Tierheimeingang gefunden hat.

Es geht um die Tiere! Wollt ihr den Tieren etwas Gutes tun?

Dann spendet, besucht Veranstaltungen, meldet euch im Tierschutzverein als Mitglied an, übernehmt Patenschaften, fragt VOR der Abgabe von Sachspenden, ob diese gebraucht werden können, wenn ihr Futter spenden wollt, fragt nach, ob es spezielle Wünsche gibt. Übernehmt eine Tierarztrechnung, bezahlt Medikamente. Aber bitte zieht doch nicht das entsprechende Tierheim in den Dreck! Ich habe schon lange Jahre mit dem Tierheim Hilden und dem Tierheim Düsseldorf zu tun. Ja, auch ich bin mal in den Genuss mangelnden Charmes im Tierheim gekommen. Ja, auch ich habe mich mal ein bißchen geärgert, weil ich mir ein Bein ausgerissen habe, um eine große Spende zu organisieren und irgendwie kein Feedback kam. Ja und? Das sind MEINE Befindlichkeiten. Abschütteln, weiter machen. Ich kann für mich persönlich nur sagen, alles, was ich über die Jahre erlebt habe, waren Mitarbeiter, die mit Herzblut ihren Job machen. Ich habe unglaubliche Anstrengungen erlebt, weit über die eigentliche Arbeitszeit hinaus, für ihre Schützlinge.

Fast jeder Tierheimmitarbeiter, den ich kenne, hat mindestens ein Tier auf Pflegestelle oder sogar komplett adoptiert, meistens sind es mehrere – und fast immer sind sie es, die die aussichtslosesten Fälle aufnehmen. Sie freuen sich, wenn ihnen respektvoll begegnet wird, wenn man ihre Kompetenz anerkennt und sie um ihre fachliche Meinung fragt. Denn die meisten sind echt richtig gut in ihrem Job! Kein Tierheim will Langzeitinsassen. Aber sie wollen die ihnen anvertrauten Schützlinge nicht um jeden Preis los werden. Es handelt sich um Tiere, die schon mindestens einmal ihr Zuhause verloren haben oder noch nie eins hatten – für diese wollen sie das BESTE Zuhause finden, auf Lebenszeit. Es geht in erster Linie um die Tiere. Da sollten menschliche Befindlichkeiten wirklich zurück gestellt werden.


Gabriele Tischler ist Tierfreundin durch und durch. Sie betreibt in Düsseldorf „Die Pfotenbar“ und ist Fachfrau für die Ernährung von Hunden und Katzen. Sie unterstützt Tierheime in der Region auf den verschiedensten Wegen, und ist auch mit unserem Tierheim eng verbunden. Bei Tierheimfesten klärt Frau Tischler unsere Besucher über die artgerechte Fütterung auf.