Tönnies Forschung zu Schlachtmethoden

Open-Mind-Workshop der Tönnies Forschung am 09.09.2021

Die Tönnies Forschung, in deren Kuratorium unsere Stellvertretende Vorsitzende seit kurzem Mitglied ist, hatte zu einem Workshop zum Thema „Betäubung von Schlachtschweinen“ eingeladen. Welche Alternativen gibt es? Wo sind die Vor- und Nachteile? Was ist alternativ vorstellbar? In welche Richtung könnte geforscht werden?

Bekanntlich lässt sich Clemens Tönnies die Forschung zur Umsetzung von tierschutzgerechteren Schlachtmethoden eine Menge kosten. Jährlich werden etwa zwei Forschungsprojekte, die an das Kuratorium herangetragen werden, finanziell unterstützt; so z.B. 2011/2012 Untersuchungen zu nicht aversiv wirkenden Gasnarkoseverfahren (MRI) und 2015-2017 Untersuchungen zur Betäubung mit Stickstoff-gefülltem Schaum (FLI).

Derzeit nutzen kleineren Schlachtbetriebe i.d.R. die Betäubung mit Elektrozange, was bedeutet, dass ein Schwein nach dem anderen einzeln betäubt wird. Große Schlachtbetriebe betäuben mit CO2, wobei Gruppen von mehreren Schweinen gleichzeitig in eine Art Aufzug geführt werden. Dieser senkt sich ab, das Kohlendioxyd strömt ein und betäubt die Tiere innerhalb ca. 10-20 Sekunden. Da CO2 in hoher Konzentration (die erforderlich ist, um eine ausreichend lange Betäubung zu erreichen, damit die Tiere nicht erwachen, bevor sie durch den Stich in die Halsschlagader getötet werden) starke Schleimhautreizung und Atemnot verursacht, sieht man inzwischen die CO2-Betäubung aus Tierschutzsicht ausgesprochen kritisch.

Leider hat sich bis heute keine echte Alternative zur Betäubung mit CO2 ergeben. Nicht zuletzt deshalb, weil mehrere Faktoren berücksichtigt werden müssen:

  • Die Betäubung soll möglichst schonend, d.h. ohne Angst/Panik/Leid/Schmerz erfolgen.
  • Das bedeutet auch, dass das Rudeltier Schwein nicht einzeln zur Betäubung getrieben werden sollte. (Die Betäubung mehrerer Tiere gleichzeitig ist zwar auch hinsichtlich der hohen erforderlichen Anzahl an Schlachtungen wichtig, könnte aber bei Tönnies auch durch den Bau weiterer Betäubungs-/Schlachteinrichtungen erreicht werden.)
  • Sie muss möglichst lange anhalten (Zeitintervall bis zur Entblutung gewährleisten, damit diese nicht mehr vom Tier wahrgenommen wird).
  • Sie darf die einwandfreie Fleischqualität nicht beeinträchtigen.
  • Sie muss praktikabel und finanzierbar sein. So gibt es beispielsweise Gase, die so horrend teuer sind, dass ihr Einsatz einfach nicht möglich ist.

Im Zuge der Erprobung verschiedener Varianten konnte in verschiedenen Studien festgestellt werden, dass

  • bereits im Vorfeld Stressfaktoren vermieden werden sollen. So verringert eine ausreichende Wartezeit in ruhiger Umgebung, das Vermeiden von lauten Geräuschen, Lichtreflexen, von oben kommenden Bewegungen und eine ruhige, möglichst berührungslose Zutreibung die Angst- bzw. Abwehrreaktionen während der Betäubung deutlich.
  • die Form der Zuleitung (von oben, unten, vorne …) eine große Rolle spielt.
  • ein Restsauerstoffgehalt von < 2 % ein wichtiger Parameter ist, um aversive Reaktionen zu verringern.
  • die Gewöhnung an Menschen, schon auf den Höfen, das Stresslevel im Schlachtbetrieb erheblich verringern kann.

Die Stressfaktoren vor der Schlachtung werden bei Tönnies schon lange vermieden. Davon konnten wir uns bei unserem Besuch im Januar 2020 ja selbst überzeugen (siehe Bericht). Aber nun sollte ein Austausch darüber erfolgen, welche Verbesserungen bei der Betäubung denkbar wären, um den Schweinen auch diese 10 bis 20 Sekunden Angst zu ersparen. Tönnies Forschung hatte dafür eine breite Palette an Fachkenntnis aufgefahren: neben den Kuratoriumsmitgliedern waren Wissenschaftler verschiedener Universitäten, Veterinäre, die Tierschutzbeauftragte des Landes NRW, eine Fachfrau der EU, ein Ingenieur des Anlagebaus, ein Landwirt, Tierschützer der niederländischen Organisation „Eyes on Animals“ und Fachleute aus Dänemark eingeladen. Ein Simultandolmetscher übersetzte die englisch-deutsche Konversation.

Drei Forschungsprojekte wurden von daran Beteiligten vorgestellt:

  1. Projekt „Tiger“ am Friedrich-Löffler-Institut, das eine neue Begasungstechnik für Dip-Lift- und Paternostersysteme erprobt und mit geringen Umbauten bestehender Anlagen auskommt.
  2. Projekt des privaten dänischen Instituts DMRI, wo zehn Tierwohlparameter für Schweine, Rinder und Geflügel getestet werden.
  3. Projekt „EbetOPT“ des Max-Rubner-Institutes testete die Optimierung der Elektrobetäubung mit handgeführten Geräten.

In der anschließenden Diskussion wurden folgende Punkte erörtert:

  • Der Versuch am Tier sollte am Ende der Versuchsreihe stehen. Viele vorherige Versuche können sehr gut mit Testalternativen abgeklärt werden und würden so vielen Tieren das Leid des Versuchsvorgangs ersparen. So können Ergebnisse von Histologie, Metabolismus und Ausschüttung der Katecholamine sehr gut in vitro bestimmt werden.
  • Bei der Versuchsdurchführung sollte auch die Intelligenz der Tiere berücksichtigt werden (gehen sie z.B. freiwillig in eine gasgefüllte Box oder zeigen sie da schon Vermeidetendenzen).
  • Auch die Genetik der Tiere spielt eine Rolle (Stressresistenz => Fleischqualität) und sollte in die Erfassung ganzheitlicher Parameter und die Implementierung von Grenzwerten einfließen.
  • Ziel: Bewusstlosigkeit erreichen, bevor Atemnot einsetzt, z.B. durch Vorbetäubung mit Argon in geringer (wie hoch?) Konzentration und folgender Anflutung mit zunehmend stärker konzentriertem CO2.
  • Die Versuche mit Stickstoff-gefülltem Schaum waren nicht erfolgreich. Es wäre zu prüfen, ob Stickstoff mit einer anderen Trägersubstanz als dem Schaum eventuell eine wirksame Alternative sein könnte.
  • Ist Elektrobetäubung automatisierbar, d.h. kann sie so erfolgen, dass unterschiedlich „gebaute“ Tiere auch in größeren Mengen zuverlässig und tierschutzgerecht betäubt werden können?

Fazit: Es gilt, sowohl die Betäubung mit CO2-Gasgemischen zu erproben, als auch die Möglichkeiten einer wirksamen, verbesserten Elektrobetäubung.

Einer laufenden Studie der Bernd-Tönnies-Stiftung (unter Führung von Robert Tönnies) liegt ein Patent für eine Betäubungsanlage zum zweistufigen Betäuben eines Schlachttieres mittels eines Vor- und eines Endbetäubungsgases (Helium und CO2) zu Grunde. Das teure und rare Helium soll dabei aufgefangen und wiederbenutzt werden. Die Ergebnisse dieser Studie werden mit großem Interesse erwartet.

Denn wie Prof. Dr.Dr. Jörg Hartung vom Kuratorium der Tönnies Forschung klar machte:

„Schlachten ist der Endpunkt des vom Menschen bestimmten Lebens der Nutztiere, und daraus entsteht unsere Verantwortung.“