Rheinisches Landschwein: Tierwohl vom Niederrhein

Als wir Ende 2018 unser Projekt „Schwein ohne Pein“ starteten, war Jörg Boves aus St.Hubert bei Kempen einer der ersten Landwirte, der bereit war, mit uns Tierschützern zu sprechen. (s. Top 5 der bisherigen Berichte)

Nicht nur, dass er uns half Kontakte zu knüpfen, er steht auch jederzeit für fachliche Fragen zur Verfügung, versorgt uns mit Informationen und hat sich umgekehrt auch das Thema Tierwohl zu Herzen genommen. „Für mich steht außer Frage, dass es zurzeit nur einen Weg aus der Kastration gibt: die Impfung gegen Ebergeruch. Auch wir Bauern wollen so schnell es geht die blutige Kastration ersetzen. Nur der Hartnäckigkeit des Tierschutzvereins Düsseldorf und der Zusammenarbeit mit den Landwirten haben wir die Fortschritte beim Lebensmitteleinzelhandel (als Fleischabnehmer) zu verdanken.“ so Boves. Boves selbst impft schon seit rd. 4 Jahren so viele seiner männlichen Tiere, wie er dafür Abnehmer überzeugen konnte.

Nun hat er uns mit einem tollen Projekt überrascht: ein Mobile-Home für Schweine. Entworfen hat Jörg Boves die „Hütte“, wie er sie nennt, selbst. Genutzt wurden dabei wiederverwendbare Baustoffe wie Holz und Stahl, da ihm die Nachhaltigkeit des Projektes ebenso ein Anliegen ist, wie das Wohl seiner Schweine. Bei der etwa 15 qm großen mobilen Außenhaltung handelt es sich um eine Art Offenstall mit getrennten Funktionsbereichen. Im hinteren Bereich ist eine Art Hütte, der Ruhebereich. Dieser hat einen höhenverstellbaren Eingang. So lässt sich der Eingangsbereich zum Gemeinschaftsschlafraum der Gruppe (Rotte), dem Alter und Temperaturbedürfnissen der Tiere besser anpassen. Dass der Seitenbalken des Eingangsbereichs schräg angeordnet ist, ist nicht der Unfähigkeit des Zimmermanns geschuldet, sondern ist vielmehr planerische Absicht: der Seitenbalken soll den Schweinen auch als Scheuerbalken (und somit dem Tierwohl) dienen.

Als nächstes folgt der kombinierte Aufenthalts- und Speiseraum. Hier können die Tiere im überdachten Außenbereich das Futter genießen, miteinander spielen oder in den Sägespänen, die auch als Einstreu dienen, herumwühlen. In einer Weiterentwicklung der mobilen Offenhaltung ist auch an einen Wühlturm mit Raufutter (Heu, Stroh und/oder Maissilage) gedacht. „Dafür müssen aber viele dieser Hütten neben­einanderstehen, sonst lässt es sich aus arbeitswirtschaftlichen Gründen nicht realisieren.“ so der Bauer.

Als letztes kommt die Toilette mit offenem Wassertrog. Hier stehen die Tiere auf einem Boden, der wie in der konventionellen Schweinehaltung die Möglichkeit bietet, Kot und Harn getrennt nach unten abzuführen um dem Gülleproblem entgegenzuwirken. „Hygiene ist wichtig. Nicht nur für uns Menschen, sondern auch für die Tiere. Das ganze Projekt steht und fällt nicht nur mit den Vermarktungsmöglichkeiten, den Behörden und Genehmigungen, sondern auch damit, ob wir es schaffen, die Hütten so zu gestalten, dass die Tiere diese selbst sauber halten. Also die unterschiedlichen Funktionsbereiche annehmen. Wie wichtig Hygiene ist, ist uns wohl allen in den letzten Wochen wieder ganz besonders bewusst geworden.“ meint Boves. Der Toilettenbereich verfügt über eine teilweise geschlossene Wand, da die Schweine sich nicht gerne von Mitbewohnern beim Toilettengang zusehen lassen. Aber gerne schauen die Tiere dabei nach draußen. Darum ist hier ein Gitter mit der Möglichkeit des Ausblicks und zum Kommunizieren mit der Nachbarschaft. „Es hat was von einem Balkon mit WC.“ grinst der Erfinder.

Auch wir sehen viele interessante Aspekte bei dieser innovativen Idee. Die Außenbereiche sind überdacht, auf der Terrasse, die für die Schweine jederzeit zugänglich ist, kann zwischen Sonne und Schatten frei gewählt werden. Holzboden und Einstreu sind gut für die Gelenke, fördern das Wohlbefinden und unterstützen den Bewegungs- und Spieltrieb der Tiere. Wichtig ist auch, dass die frische Luft für Lungengesundheit sorgt und den häufig vorkommenden Atemproblemen der Stalltiere entgegenwirkt.

„Durch die Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein glaube ich, die Verbraucherwünsche ein wenig mehr verstanden zu haben. Ich habe mir sehr viele Gedanken dazu gemacht. Was möchte der Verbraucher? Was ist aus Umweltschutzgründen erforderlich? Wie bekommen wir das produktionstechnisch so umgesetzt, dass ein bezahlbares Produkt dabei herauskommt? Wie bekommen wir die Schweine-Hygieneverordnung umgesetzt?“ sagt Boves und ergänzt „Wir haben ausschließlich positive Reaktionen von den Verbrauchern bekommen, aber entscheidend ist, ob Metzgereien unsere Produktion gutheißen und bei uns kaufen, und ob die Behörden uns wohlwollend begleiten und unterstützen.“

Boves weiter „Seit fünf Jahren verbessern wir unsere Züchtung und Fütterung, um den Metzgern und damit den Verbrauchern, etwas Besonderes liefern zu können. Jetzt wollen wir einen weiteren Schritt gehen und die Haltung verändern.“  Das bedeutet auch deutlich mehr Tierwohl.

Noch ist die Hütte ein Prototyp. Es wird getestet, wie die Schweine das neue Ambiente annehmen, welche Veränderungen/Verbesserungen evtl. noch umzusetzen sind. „Zurzeit tüfteln wir noch an einer Technik zur Senkung der Methanemissionen. Dadurch wird die Schweinehaltung nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch wesentlich geruchsneutraler.“ gibt uns der Erfinder einen Einblick in seine Zukunftspläne.

Die Hütten, von denen es dann auf seinem Land viele geben wird, sollen in ausreichend Abstand zu einander aufgestellt werden, so dass die sie umgebende Wiese von Schafen beweidet werden kann.

Ein schönes Bild: fröhliche Schweine auf ihrer Sonnenterrasse, umgeben von grüner Wiese mit ruhig grasenden Schafen. Die Vision einer tierwohlgerechten Zukunft auf dem Krusenhof.

Wir sind gespannt!